Sehr geehrter Herr Beckstein,
Ihr neuer alter Gesetzesentwurf zum Verbot sogenannter "Killerspiele" (ein schreckliches Wort! Zum einen ist es weder deutsch noch englisch und zum Anderen klingt es wie einer Schlagzeile der unsäglichen großen deutschen Tageszeitung entsprungen..) hat meine Bekannte und mich zum Mitdiskutieren angeregt, da wir als Jugendliche und junge Erwachsene alle davon betroffen sind.
Ich habe eine sehr differenzierte Meinung zu dem Thema, die auch in den Diskussionen mit Bekannten und erst Recht durch die Berichterstattung zu dem Thema, noch einmal gestärkt wurde.
Da meine Argumente zwar keinesfalls neu sind, in der Politik und der Diskussion in ausnahmsweise mal nicht betroffenen Medien (das Fernsehen..) konsequent ignoriert werden, möchte ich sie Ihnen hier noch einmal ausführlich darlegen. Denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie Argumente und Lösungsvorschläge zu einem Thema, das Ihnen ja offensichtlich sehr wichtig ist, ignorieren würden...
Natürlich sind "Killerspiele" bedenklich.. Gar keine Frage! Eigentlich sollte es sowas gar nicht geben - ganz ohne Verbot. Schließlich geht es in den Spielen wirklich ausschliesslich um's töten und schnell und viel Töten bringt extra-Punkte.. Das kann man nuechtern betrachtet gar nicht okay finden - das ist KRANK!
Aber: Genauso natürlich habe auch ich all diese Spiele gespielt.. Die ersten "sozialen Zusammenkünfte mit anderen Computerfreaks" waren für mich die "Doom-Sessions" vor 13 Jahren oder so.. Später "Lan-Parties" genannt - aber da war ich schon nicht mehr dabei...
Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll - denn auf der einen Seite bin ich absolut überzeugter Pazifist - ich tue sicher niemals irgendjemandem irgendwas und wenn sich dann Leute hinsetzen und Spiele entwickeln, deren einziger Sinn Massenmord ist, kann sich das ja nicht so ganz mit meiner Überzeugung decken.. Auf der anderen Seite spiele ich, wenn ich überhaupt mal etwas spiele, nichts anderes..! All die Spiele, die da derzeit im TV als abschreckende Beispiele Laufen, habe und liebe ich.. Es gibt nichts entspannenderes, als nach unbefriedigender Programmier-Arbeit ein paar Freunde zu töten.. ;) Und wenn dann auch noch Teamspeak mitläuft, bruelle ich auch meine besten Freunde an: "DU WIRST STERBEN!!" - und niemand macht sich sorgen um sein Leben.. ;)
Mittlerweile sind ego-shooter einfach ein Teil Jugend-Kultur geworden, denke ich.. Und das liegt nicht daran, dass die Jugend so verroht wäre, sondern einfach an der Gewöhnung.. Die ersten technisch wirklich anspruchsvollen Computerspiele waren Castle Wolfenstein und Doom.. Damit bin ich aufgewachsen.. Während der Pubertät haben zumindest Jungen halt einfach einen Hang zur Brutalität.. Da hab ich mal nen im TV eine interessante Erklärung eines "Profis" zu gehört und das glaube ich sofort:
Jungs in der Pubertät sind nicht gerade sehr selbstsicher.. Es gibt zwei Lager: Die Coolen und die uncoolen und nur zu schnell findet man sich in letzterem Lager wieder.. Und als "uncooler" sind Schulpausen und andere soziale Zusammenkuenfte einfach grausam! Das kann so weit gehen, dass man die Schule lieber schwänzt, als schon wieder vor allen bloßgestellt zu werden..
Naja und dann gibt es da den Computer.. Der findet einen nie doof, der ist immer auf "meiner" Seite.. Und wenn ich die richtigen Spiele lade, bin sogar ich der jenige, der austeilt! Hooray!!
Bevor es Doom und Co gab, gab es dafuer Splatter-Filme.. Ist doch auch krank.. "Ein Rattenaffe beisst die Mutti, die sich daraufhin in einen Zombie verwandelt und die ganze Verwandschaft mit sich nimmt, die man dann heimlich in seinem Keller durchfüttern muss.. Was aber gar nicht so einfach ist, weil dem einen immer der Kopf wegklappt und dann der Brei unten aus dem Hals wieder rausläuft.." - aber wer hat denn Braindead oder Bad Taste noch nicht gesehen..? Und wer hat nicht herzlichst gelacht..? ;)
Klar wurden die Filme allesammt verboten und ich finde das auch gut so - aber hat es das problematischer gemacht, sie zu bekommen? Ach was! Ich hatte einfach meine "Speziel-Videothek", die hat mir dann sogar immer die neuesten, verbotenen Splatter-Filme empfohlen..! Und da waren die Peter Jackson-Filme noch die harmloseren.. (Ein Zombie hing am Glockenseil, Das Haus an der Friedhofsmauer - ich hatte alles..!)
Okay.. Ein Verbot würde schonmal dafuer sorgen, dass der finanzielle Anreiz fuer die Firmen, sonen Kram zu programmieren, weg fällt.. Aber ob das nicht, genauso wie bei den Videos, nur dazu führen würde, dass eben Leute ohne kommerzielle Hintergedanken noch viel brutalere Spiele programmieren, die sich dann nichtmal mehr an die verdammt laschen Richtlinien der USK halten..? Bei Splatter-Filmen war es auf jeden Fall so.. Es war klar, dass die eh keine FSK bekommen, also wurde gar nicht mehr damit gerechnet und mit Gedärmen geworfen, gerungen und auch gerne mal gewürgt.. ;)
Also wie ist das zu loesen..? Ich denke: Das problem sind nicht die Medien, die ein Amok-Läufer auf seinem Weg zum Amoklauf konsumiert, sondern das Umfeld des Amokläufers insgesammt.. Das Problem aller Schul-Amok-Läufer der letzten Jahre war doch eindeutig, dass sie Aussenseiter waren, die keinen Anschluss an die Gesellschaft gefunden haben..! Leute die, wie oben beschrieben, in der Schule immer "fertiggemacht" wurden und die ihre aufgestaute Aggression dann eben erstmal mit ego-shootern abzubauen versucht haben.. Nachdem die dann derart leicht Waffen besorgen konnten, gehe ich mal davon aus, dass ihnen eben auch der Rückhalt im Elternhaus fehlte und so waren sie mitten in der Pubertät vollkommen auf sich allein gestellt und mit der Situation maßlos überfordert.. (Denn, also: Ich konnte nicht mal unbemerkt eine Faschingspistole in die Wohnung schmuggeln..)
Ich glaube nicht, dass sie aufgrund der Ego-Shooter "verlernt" haben, was "Tot" oder "Schmerz" bedeuten - zumindest letzteres haben sie viele Jahre jeden Tag am eigenen Leib erlebt - sie hatten genau deshalb eben verdammt viel Aggression in sich aufgestaut und niemanden, der ihnen ihre Gefühlswelt erklähren konnte. Wer weiss..? Ohne Ego-Shooter hätten sie ihre Aggressionen vielleicht schon viel früher im echten Leben ausgelebt..
Also wäre eine sinnvolle Lösung nicht das Verbot, eine schärfere USK oder sonsteine Stigmatisierung der Medien, sondern, dass man es allen Eltern ermöglicht, sich in angemesenem Maße um ihre Kinder zu kümmern.. Jetzt schreibe ich politisch recht unkorrekte Dinge, aber ich tu es mal:
Wer bekommt denn in Deutschland noch Kinder..? Das sind meist (meist! lang nicht immer!!) eher sozial schwache Familien und die Kinder waren ein "Unfall".. Oder es ist die sogenannte "intellektuelle Elite", die sich ganz bewusst fuer Kinder entscheidet, dann aber bei Weitem nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder haben.. Letztere sind dann die, die ihren Kindern die Ballerspiele noch selbst kaufen, weil sie dann ruhig gestellt sind..
Okay.. Das ist jetzt eine boese Pauschalisierung und ganz klar trifft sie lange nicht immer zu, aber in sehr vielen Fällen.. In meinem Freundeskreis eigentlich bei allen..
Aber was sollten meine Eltern denn anders machen..? Die mussten Geld verdienen.. Und zwar beide, denn das Leben einer Familie in Deutschland ist gar nicht mal günstig.. Und die paar Ocken Kindergeld machen da auch keinen wirklichen Unterschied..
Die Lösung kann ja auch nicht sein, dass der Staat dann halt "die Kinder bezahlt".. Ich finde schon, jeder sollte für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen, und zwar umfassend.. Kinder-, Eltern- und was "die" sich noch alles einfallen lassen werden, sind billiges "Freikaufen" des Staates..
Ich wäre für eine bessere Betreuung der Kinder, die es den Eltern eben ermöglicht, zu arbeiten.. Gerne könnte die Schulpflicht einfach schon ab 4 oder so beginnen und, dass es in Deutschland keine Ganztags-Schulen gibt, ist einfach beschämend...
Die alt-68er in Deutschland meinen halt leider: "Man muss Kindern doch ihre Kindheit lassen! Mit 4 schon in die Schule stecken ist unverantwortlich!" aber das halte ich für unüberlegt.. Je jünger der Mensch, desto besser (und auch begeisterter!) lernt er - das zeigen alle entsprechenden Studien und zumindest ich kann das auch aus eigener Erfahrung bestätigen: Ein Onkel von mir hat mir im Alter von 4 Jahren Zählen, Addition und Subtraktion mit Zahlen bis 10, sowie einfachste englische Begriffe beigebracht.. Und es war ein Leichtes! Rechnen ging binnen weniger Stunden! Englisch "so nebenbei" mit Musik.. Er hat seinen "Lehrstil" eben einfach meinem Alter angepasst und schon fiel mir das Lernen super leicht und es hat mir einen riesen Spass gemacht.. Dieser Onkel ist heute Lehrer.. ;)
Also: Die Lösung für unsere Amokläufer ist, denke ich, eine bessere, frühere und längere Betreuung der Kinder. Und da der Kapitalismus, in dem wir uns entslossen haben zu leben, eben von allen Beteiligten verlangt, dass sie arbeiten, muss sich der Staat da zumindest mehr mit drum kümmern.. Liegt ja auch in seinem eigenen Interesse - Stichwort: Überalterung..
Bezahlbar wäre das, indem man Kinder- und Elterngeld grad wieder streicht und es direkt für die Kinder und ihre Betreuung ausgibt - das würde auch den Eltern viel mehr helfen, denn nur weil man €154,- Kindergeld im Monat bekommt, heißt das noch lange nicht, dass man eine Betreuungsmöglichkeit für seine Kinder findet - eine Ganztagsschule schon...
In der Hoffnung, neue Anregungen in der so müssigen Debatte zum Verbot egal welcher Medien gegeben zu haben verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Philipp Giebel
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